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Amerikas neuer Goldrausch


Von Marc Pitzke, New York

Es ist ein Angriff auf die mächtigste Notenbank der Welt. Mehr als ein Dutzend US-Bundesstaaten wollen Gold und Silber zu gesetzlichen Zahlungsmitteln machen. Hinter der Kampagne stecken Zweifel am Dollar, Angst vor Inflation und Wut auf Washington.

Sie nannten ihn den „Liberty Dollar“, den Freiheitsdollar. Die Münzen waren golden oder silbern, sie trugen das Haupt und die Fackel der Freiheitsstatue sowie eine ähnliche Inschrift wie reguläre US-Münzen: „Trust in God.“

Erstmals 1998 ausgegeben, wurde das Hartgeld fast zehn Jahre lang von einer Firma namens Liberty Services im US-Bundesstaat Indiana geprägt. Dann war Schluss: Die Notenbank Fed bekam Wind davon und erklärte den „Liberty Dollar“ zum illegalen Falschgeld.

Womit die Affäre aber längst nicht zu Ende war.

Treibende Kraft hinter dem „Liberty Dollar“ war Bernard von NotHaus, 67, ein kauziger Herr, der zum Sommeranzug gerne Hawaii-Hemden trägt. Schließlich kommt er aus Honolulu, wo er einst auch der Free Marijuana Church of Honolulu vorstand. Doch es war der „Liberty Dollar“, der ihm Ruhm einbrachte – und Ärger.

NotHaus gehört zu jener wunderlichen Fraktion von Amerikanern, die sich gegen alles sperren, was von der US-Zentralregierung kommt – Gesetze, Steuern und vor allem die Federal Reserve Bank. NotHaus begann seinen Kreuzzug gegen Washington, indem er in seiner privaten Royal Hawaiian Mint (Königlich-Hawaiianische Münzanstalt) eigene Münzen prägte, verziert mit den Konterfeis alter hawaiianischer Herrscher. Dann gründete er eine Organisation mit dem umständlichen Namen Repeal of the Federal Reserve and Internal Revenue Code (Norfed), die wiederum zu Liberty Services mutierte.

„Seit 1913 hat der US-Dollar 96 Prozent seiner Kaufkraft verloren“, begründete NotHaus seine skurrile Aktion 2007 in der TV-Show des Fox-News-Polemikers Glenn Beck, der selbst seit Jahren gegen die Fed wettert. Jeder Bürger habe das Recht auf eine Alternativwährung: „Ich möchte wissen, was daran illegal ist.“

Jetzt erläuterte ihm ein Bundesgericht in North Carolina, was daran illegal ist: Es sprach NotHaus wegen Münzfälschung schuldig. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Ein weiterer Prozess Anfang April soll überdies klären, ob die US-Regierung Anspruch auf fast sieben Millionen Dollar hat – der Gesamtwert aller „Liberty Dollars“, die beschlagnahmt wurden.

Preisboom und Goldfreude

Libertäre US-Politiker und Tea-Party-Vasallen sind außer sich. Allen voran Republikaner Ron Paul, ein erklärter Fed-Feind, der sich selbst mal auf dem „Liberty Dollar“ verewigt sah – anlässlich seiner erfolglosen Präsidentschaftsbewerbung 2008. Staatsanwältin Anne Tompkins dagegen nennt NotHaus‘ Kampagne „eine einzigartige Form von einheimischem Terrorismus“.

Das mag übertrieben sein. Doch hinter der Aufregung um den „Liberty Dollar“ steckt mehr als nur eine schrullige Idee. Die Stimmung gegen den Dollar als heimische Währung und die Notenbank als alleinige Währungshüterin wird in den USA derzeit immer schlechter – und beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Sonderlinge in der Provinz, sondern ergreift politisch ganz legitime Kreise.

13 US-Bundesstaaten – mehr als ein Viertel aller Staaten – erwägen inzwischen, Gold und Silber zu offiziellen Zahlungsmitteln zu machen, als Konkurrenz zum Dollar. Colorado, Georgia, Montana, Missouri, Indiana, Iowa, New Hampshire, Oklahoma, South Carolina, Tennessee, Utah, Vermont, Washington: Das sind keineswegs nur Regionen, die für regierungsfeindliche Eigenart bekannt wären.

Die Gesetzentwürfe variieren, der Kernpunkt ist der gleiche: Sie trauen der Notenbank nicht länger und fürchten Hyperinflation als Folge des Fed-Aktivismus seit der Finanzkrise. Also wollen sich lieber auf eine eigene Währung verlassen – und dazu den 1971 offiziell abgeschafften Goldstandard wieder einführen. Der momentane Preisboom der Edelmetalle schürt diese Goldfreude nur noch.

Am weitesten gediehen sind diese Pläne im Mormonenstaat Utah im US-Westen. Dessen Landesparlament verabschiedete jetzt mit großer Mehrheit die Gesetzesvorlage HB317, die Gold und Silber zu Zahlungsmitteln erklärt und die Einführung anderer „alternativer Währungen“ prüfen lässt. Nun fehlt nur noch der Segen des Gouverneurs Gary Herbert, eines Republikaners. Wenn der bis Mittwoch kein Veto einlegt, wird die Vorlage automatisch Gesetz.

Ron Pauls Reizthema

„Dies dient der Verteidigungsbereitschaft“, erklärte Brad Galvez, der republikanische Sponsor des Gesetzes, martialisch. „Er erlaubt uns, unsere Konjunktur aufrechtzuerhalten, während der Dollar immer weiter schrumpft.“

Aber es klingt auch ein bisschen wie die Rückkehr zu Wildwest-Zeiten. „Utah ist mitten in einem Gold- und Silberrausch“, schreibt die „Salt Lake Tribune“ und berichtet, wie die Bürger in Utah bereits Gold- und Silbermünzen horten. Etwa Sherm Lott, der in seinem Haus ein Säckchen mit Silbermünzen versteckt hält, anstelle eines Sparbuchs. „Ich fürchte mich vor Inflation und davor, dass die Regierung pleitegeht“, sagt er. „Ich fürchte, dass der Dollar seinen ganzen Wert verliert.“

Diese Angst facht der Kongressabgeordnete Ron Paul schon lange an. Seine Reden und Auftritte drehen sich meist nur um ein Reizthema – um die Übermacht der bösen Fed und den Untergang persönlicher Freiheiten.

Als Vorsitzender des Unterausschusses für Währung berief der Texaner kürzlich eine Anhörung ein, mit dem einzigen Zweck, die Währungspolitik der Fed zu kasteien. Alle drei „Experten“-Zeugen plädierten denn auch artig für eine Rückkehr zum Goldstandard. Auf einer weiteren Anhörung am Freitag dieser Woche will Paul als nächstes die Goldbarren-Bestände der US-Münzanstalt unter die Lupe nehmen.

Zugleich brachte Paul im Kongress eine eigene Gesetzesvorlage ein, die den Dollar als einziges US-Zahlungsmittel aushebeln und private Prägeanstalten legalisieren soll. „Die Aussicht, dass sich die Bürger vom Dollar abwenden und alternativer Währung zuwenden könnten“, sagt Paul, „wird den nötigen Impuls für die US-Regierung schaffen, die Kontrolle über die Abwärtsspirale des Dollars zurückzugewinnen.“

„Die Leute haben das Gefühl, dass in der Ära quantitativer Lockerung und Nullzinsen irgendetwas mit unserer Währungspolitik schiefgelaufen ist“, sagte Jeffrey Bell, der Chef der konservativen Aktivistengruppe American Principles in Action, auf Fox News, das das Thema als einziger US-Newssender regelmäßig propagiert. „Wenn ein Staat Gold als Zahlungsmittel anerkennt, dann wird das die Leute nicht nur in anderen Staaten ermutigen, sondern auch in Washington.“

Der Goldstandard – der die Währung an den Wert von Gold koppelt – wurde in den USA 1873 eingeführt. 1933, während der Weltwirtschaftskrise, wurde der Privatbesitz von Gold illegal. Richard Nixon beendete die Verknüpfung des Dollars mit dem Gold 1971.

Die Protagonisten des Goldstandards berufen sich auf die US-Verfassung und die dort verankerten Rechte der Bundesstaaten. „All diese Vorschläge und Gesetze sind Zeichen der Zeit“, sagte der Verfassungsrechtler Albert Navarra dem numismatischen Infodienst „Kitco“. Navarra sieht einen Zusammenhang zwischen der Finanzkrise, den Haushaltssorgen der Landesregierungen und dem neuen Run auf Gold. „Die Regierungen der Bundesstaaten und der Kommunen stehen unter großem Stress, und sie suchen nach Wegen, sich zu schützen.“

Die Notenbank ist sich der Kritik durchaus bewusst. Vorige Woche verkündete Fed-Chef Ben Bernanke, sich im Dienste der Transparenz künftig viermal im Jahr nach den internen Zinsrunden den Fragen von Journalisten zu stellen – das erste Mal in der Geschichte, dass die geheimniskrämerische Fed Pressekonferenzen wagt. An der Alleinherrschaft des Dollars hält Bernanke aber natürlich fest.


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